Sogenannte Veränderungen 3. Ordnung gehen über einen konkreten Veränderungsanlass hinaus. Sie zielen auf eine Veränderung im Umgang mit Veränderungen ab, denn:
„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“, sagte schon Einstein.
Im Rahmen einer Veränderung 3. Ordnung werden Veränderungsanlässe genutzt, um aus einer Meta-Position die bisherigen Lösungsmuster kritisch zu reflektieren und, falls notwendig, neue Lösungsmuster zu etablieren. Die Organisation wird grundlegend neuausgerichtet, während parallel zueinander auf mehreren Ebenen der Organisation tiefgreifende Veränderungen stattfinden.
Genotypische Transformation
Bei einer organisationalen Transformation wird tief in die Architektur der Organisation eingegriffen, weshalb hier auch von einer genotypischen Transformation gesprochen wird. Nicht nur die internen Strukturen und Prozesse erfahren einen radikalen Umbau, auch die Ressourcenausstattung sowie die Aufgaben und Funktionen vieler Beschäftigten werden kritisch geprüft und ggf. neu strukturiert.
Um eine derart radikale Veränderung zu ermöglichen, die tief in die historisch gewachsene Identität und in die zugrundeliegenden Strukturen und Prozesse der Organisation eingreift, ist ein real auf allen Ebenen nachvollziehbarer, existenzbedrohender Druck zwingend erforderlich. Nur so kann eine entsprechende Umgestaltung verantwortet werden, da sie der Organisation und ihrer Belegschaft sehr viel Kraft abverlangt – insbesondere, wenn sie bei „laufendem Motor“ geschieht. Die unternehmensweite gemeinsame Sichtweise, dass die Fortsetzung des bisherigen Weges und das Festhalten an der bestehenden Ausrichtung sowie die bestehenden Strukturen und Prozesse das Unternehmen über kurz oder lag in eine existenzielle Bedrohungslage hineinführen, ist unumgänglich, um diesen Kraftakt gemeinsam auf sich zu nehmen. Ebenso ein attraktives Zukunftsbild, für das es sich zu kämpfen lohnt.
Ziel einer genotypischen Transformation ist es, neben einer zukunftsfähigen Aufstellung der Organisation, den Umgang der Organisation mit Veränderungen und Herausforderungen auf Basis von Beobachtungen und Erfahrungen so auszuwerten, dass die Organisation nachhaltig daraus lernt und gut für zukünftige Veränderungsbedarfe aufgestellt ist.
Damit der Organisationswandel gelingt, ist ein Wandel der Führung Voraussetzung – die Veränderung fängt beim Selbstverständnis der verantwortlichen Entscheidungsträger an: Das Veränderungsvorhaben kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie selbst sich als erfolgskritischen Teil des Prozesses begreifen und entsprechend handeln.
Vorausschauende Selbsterneuerung
Die vorausschauende Selbsterneuerung befähigt eine Organisation, selbst schwache Signale und zufällige Impulse aus ihren relevanten Umwelten aufzugreifen und gezielt für die Weiterentwicklung des eigenen Leistungspotenzials zu nutzen. Sie zielt damit auf die systematische Steigerung der eigenen Lernfähigkeit als Organisation ab. Durch die Fähigkeit, gekonnt zwischen Lernen und Nicht-Lernen zu balancieren, lassen sich in der Regel Notoperationen und die Notwendigkeit der Bewältigung von selbstverursachten Krisen vermeiden.
Vorausschauende Selbsterneuerung bedeutet, Veränderungsbedarfe so rechtzeitig zu erkennen und die entsprechenden Maßnahmen anzustoßen, dass für ihre erfolgreiche Implementierung ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Das vorausschauende Moment und die Zukunftsorientierung verschaffen der Organisation somit ein Zeitbudget, das die Notwendigkeit einer radikalen Transformation unwahrscheinlicher macht.
Neben entsprechenden Strukturen, Kommunikations- und Entscheidungsroutinen und der Erhöhung der Irritationsquellen für Impulse spielt auch hier ein entscheidungsfähiges Führungssystem eine tragende Rolle, denn es ist dafür verantwortlich, die Veränderungsimpulse aus den Umwelten und der Belegschaft aufzugreifen, zu prüfen und die erforderlichen Erneuerungen nicht nur anzustoßen, sondern maßgeblich voranzutreiben.
Mit dem zunehmenden Ausbau der Fähigkeit zur vorausschauenden Selbsterneuerung geht auch ein Kulturwandel einher, der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert, eigene Ideen und Beobachtungen einzubringen. Widersprüche zum Gewohnten werden als willkommene Lernanstöße betrachtet und entsprechend ausgewertet.
Die Stärkung der organisationalen Veränderungsfähigkeit sichert jene entscheidende Spannkraft (organizational resilience), die dafür sorgt, dass Organisationen auch unter sehr ungünstigen Umweltbedingungen erfolgreich performen.