THG-Bilanz für Unternehmen: Praxisorientierter Leitfaden zur Erfassung und Reduktion von Treibhausgasemissionen
Inhaltsverzeichnis
Was ist eine THG-Bilanz?
Die THG-Bilanz oder der Corporate Carbon Footprint (CCF) erfasst die von einem Unternehmen direkt und indirekt verursachten Treibhausgasemissionen. Dabei werden, gemäß Kyoto-Protokoll, sieben Treibhausgase betrachtet.
- Kohlenstoffdioxid (CO₂)
- Methan (CH₄)
- Distickstoffoxid (Lachgas, N₂O)
- Teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW/HFCs)
- Perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW/PFCs)
- Schwefelhexafluorid (SF₆)
- Stickstofftrifluorid (NF₃)
- Scope 1-3
Grundsätzlich wird in einer THG-Bilanz zwischen Scope 1,2 und 3 unterschieden, d.h. zwischen direkten und indirekten Emissionen.
Quelle: GHG Protocol
Direkte Emissionen (Scope 1) entstehen durch:
- stationäre Verbrennung beispielsweise durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl oder Gas vor Ort
- mobile Verbrennung (z.B. Autos)
- flüchtige Gase, die beabsichtigt oder unbeabsichtigt freigesetzt werden, oder
- Prozessemissionen
Bei den indirekten Emissionen eines Unternehmens wird zwischen Scope 2 und 3 unterschieden.
Scope 2 Emissionen verursacht ein Unternehmen indirekt, indem es Energie und Betriebsmittel (z.B. Strom, Wärme, Kälte oder Dampf) einkauft, deren Erzeugung Treibhausgase freisetzt.
Scope 3 umfasst alle weiteren indirekten Emissionen eines Unternehmens entlang der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette. Das Greenhouse Gas Protocol unterscheidet zwischen 15 Kategorien – dazu gehören beispielsweise eingekaufte Dienstleistungen und Transporte (Quelle: GHG Protocol)
Politischer Rahmen und regulatorische Entwicklungen
2015 wurde auf der 21. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention (COP21) das sogenannte Übereinkommen von Paris verabschiedet und damit das Ziel, die Erderwärmung auf unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C, gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. 195 Staaten haben sich verpflichtet, einen Beitrag zur Zielerreichung zu leisten. Dazu legen sie regelmäßig ihre Pläne zum Klimaschutz, die Nationally Determined Contributions (NDCs), vor. Stand heute sind die in den NDCs aufgezeigten Maßnahmen allerdings nicht ausreichend, um die Erderwärmung auf unter 2°C zu begrenzen.
Die EU hat mit dem European Green Deal eine neue Wachstumsstrategie beschlossen, die unter anderem darauf ausgerichtet ist, bis 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freizusetzen.
Mit der Corporate Social Responsibility Directive (CSRD), EU-Taxonomie und Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) hat die EU einen regulatorischen Rahmen geschaffen, um auf die Erreichung dieses Ziels hinzuwirken [CSRD-Text als Erläuterung verlinken]. In diesem Zuge müssen betroffene Unternehmen offenlegen, ob und wie sie einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
CSRD
Die Corporate Sustainability Reporting Directive verpflichtet Unternehmen dazu, in ihrem Lagebericht detailliert zu veröffentlichen, wie sich die Unternehmenstätigkeit tatsächlich und potenziell auf die Umwelt auswirkt und welche tatsächlichen und potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen Nachhaltigkeitsaspekte auf das Unternehmen haben.
Für die Sicherstellung einer hohen Qualität und Vergleichbarkeit der Daten der Nachhaltigkeitsberichterstattung wurden die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) entwickelt, die vorgeben, welche Nachhaltigkeitsinformationen ein Unternehmen zu berichten hat, um den Anforderungen der CSRD gerecht zu werden. Für viele Unternehmen wird damit auch das Reporting des Corporate Carbon Footprint verpflichtend.
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EU-ETS, Treibhausgashandelsgesetz (TEHG) und nEHS
Der Europäische Emissionshandel bzw. EU EmissionsTrading System (EU-ETS) ist ein weiteres Instrument der EU zur Eindämmung des Klimawandels. Um die Voraussetzungen „für den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen in einem gemeinschaftsweiten Emissionshandelssystem zu schaffen“ (Quelle: TEHG, §1), wurde in Deutschland das Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen, kurz Treibhausgashandelsgesetz, verabschiedet. Die Idee hinter dem Emissionshandel ist, dass Zertifikate für THG-Emissionen erworben werden müssen. Gleichzeitig wird die Anzahl der verfügbaren Zertifikate schrittweise reduziert – bis 2023 jährlich um 2,2%, ab 2024 auf 4,4%. Im Jahr 2022 lag der durchschnittliche Preis bei 80,32€.
Betroffen sind der Energiesektor, energieintensive Industriezweige und der Luftverkehr. Außerdem wurde in Deutschland noch ein nationales Emissionshandelssystem verabschiedet, das über den Rahmen des EU-ETS hinausgeht. Aktuell beträgt der Festpreis für ein Emissionszertifikat für ein Kohlendioxidäquivalent 45 EUR und wird bis 2025 auf 55 EUR steigen.
Mit dem Paket „Fit for 55“ hat die EU Maßnahmen beschlossen, das EU-EHS auszuweiten. So soll der Seeverkehr miteinbezogen werden, die Zertifikatanzahl schneller reduziert und ein eigenständiges Emissionshandelssystem für Gebäude, Straßenverkehr und Brenn- und Kraftstoffe geschaffen werden (Quelle: Consilium).
Standards für die THG-Bilanzierung
Für die THG-Bilanzierung gibt es unterschiedliche Standards und Methoden, die teilweise auf Unternehmens- und Produktebene fokussieren oder aber auf die Zertifizierung von Klimaneutralität ausgerichtet sind. Nachfolgend sind exemplarisch etablierte Standards aufgeführt.
Auf Unternehmensebene:
- Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol)
- ISO 14064
Für Produkte:
- ISO 16067
Klimaneutralität:
- ISO 14068
- PAS 2060
Warum GHG Protocol?
Über die Jahre hat sich zunehmend das GHG Protocol als Standard der THG-Bilanzierung auf Unternehmensebene durchgesetzt. Für CSRD-pflichtige Unternehmen, die ihren Corporate Carbon Footprint offenlegen müssen, ist das GHG Protocol sogar als Standard vorgegeben.
- Wann muss ich meinen Corporate Carbon Footprint erheben und berichten?
Für CSRD-pflichtige Unternehmen ist die Durchführung einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse vorgeben [Wesentlichkeitsanalysetext verlinken]. Wenn Sie in Ihrer Wesentlichkeitsanalyse zu dem Ergebnis kommen, dass Klimaschutz ein für Ihr Unternehmen wesentlicher Nachhaltigkeitsaspekt ist, sind sie verpflichtet, Ihren Corporate Carbon Footprint zu ermitteln und zu berichten. Zunehmend sind auch nicht-CSRD-pflichtige Unternehmen von einer indirekten Berichtspflicht ihres Carbon Footprints betroffen. Immer mehr Unternehmen erfragen beispielsweise den Product Carbon Footprint ihrer Zulieferer – um ihre Scope 3 Emissionen berechnen zu können. Treiber dieser Entwicklung sind Regularien wie die CSRD aber zunehmend auch Kundenanforderungen im Hinblick auf umweltschonende Produkte und Dienstleistungen sowie eine zunehmende Sensibilisierung bezüglich Greenwashing.
Exkurs: ISO 14064
Die Norm ISO 14064 beschreibt das Vorgehen zur Erfassung der THG-Bilanz auf Unternehmensebene. Ihre drei Teile beinhalten die Anforderungen an
- die quantitative Bestimmung, Monitoring und Reporting von THG-Emissionen auf Organisationsebene
- die quantitative Bestimmung, Monitoring und Reporting von THG-Emissionen auf Projektebene
- an die Validierung und Zertifizierung von THG-Bilanzen
Schritte zur Erstellung einer THG-Bilanz nach dem GHG Protocol
Als Einstieg in die THG-Bilanzierung wird über Zielsetzung und Konsolidierungsansatz entscheiden sowie nach welchem der GHG-Standards Sie bilanzieren wollen. Anschließend beginnt die Ermittlung der Emissionen. Dabei empfiehlt es sich, zunächst den Fokus auf Scope 1 und 2 und anschließend auf die Scope 3 Emissionen des betrachteten Unternehmens zu legen. Dieses Vorgehen ermöglicht, bereits während der Datensammlung und Berechnung kurzfristig umsetzbare Reduktionspotenziale zu erkennen und anzustoßen.
- Hier können Sie sich einen genaueren Überblick über die Schritte zur Erstellung einer THG-Bilanz verschaffen:
Festlegung der Grenzen
Zunächst müssen die Bilanzgrenzen mit Blick auf die Strukturen des Unternehmens festgelegt werden: Wo beginnt ein Unternehmen und wo hört es auf? Dafür stehen der Eigenkapital- und Kontrollansatz zur Wahl (Quelle: GHG Protocol Corporate Standard). Beim Eigenkapitalansatz oder Equite-Share-Approach erhebt und reportet ein Unternehmen seine THG-Emissionen entsprechend seinem Kapitalanteil. Der Kontrollansatz oder Control Approach grenzt die Bilanz auf alle Emissionen ein, die durch Geschäftstätigkeiten entstehen, über die das Unternehmen Kontrolle ausüben kann. Dabei wird zusätzlich zwischen finanzieller Kontrolle und Betriebskontrolle unterschieden.
Datenerfassung und Berechnungsmethoden
Die THG-Emissionen werden grundsätzlich nach dem folgenden Prinzip berechnet:
- Aktivitätsdaten X THG-Emissionsfaktor = THG-Emissionen
Die Aktivitätsdaten wie beispielsweise der Verbrauch an Gas bei der Wärmeerzeugung müssen ermittelt werden. Während das Sammeln der Aktivitätsdaten für Scope 1 und 2, also für die direkten Emissionen des Unternehmens sowie die indirekten Emissionen aus dem Strom-, Wärme– und Kältebezug in der Regel schnell gelingt, ist dies für Scope 3 Emissionen oft deutlich schwieriger und aufwändiger.
Für alle Aktivitätsdaten werden anschließend die passenden THG-Emissionsfaktoren ausgewählt. Hierbei kommen in der Regel Emissionsdatenbanken zum Einsatz. THG-Emissionsfaktoren sollten außerdem als CO2–Äquivalente als konsistente Einheit angegeben werden. Bei CO2-Äquivalenten werden die unterschiedlichen Treibhausgase mit der Wirkung von Kohlendioxid in Beziehung gesetzt, d.h. ihr jeweiliges Treibhauspotential wird mit dem von Kohlendioxid verglichen.
Liegen Aktivitätsdaten und THG-Emissionsfaktoren vor, erfolgt die Berechnung der THG-Emissionen. Bei der Erstellung der THG-Bilanz wird darüber hinaus beispielsweise
- der Standard, der für die Bilanzierung angewendet wurde, dokumentiert
- der gewählte Konsolidierungsansatz festgehalten,
- das Basisjahr kenntlich gemacht,
- die Emissionen zu Scope 1 bis 3 zugeordnet,
- die Daten sowie die einzelnen Berechnungsschritte dokumentiert,
- die Quelle der einzelnen Emissionsfaktoren angegeben,
- Reduktionsfortschritte im Zeitverlauf aufgezeigt,
- die Qualität der Daten bewertet.
Q&A: Herausforderungen und Lösungsansätze
Es empfiehlt sich, die THG-Bilanzierung als lernenden Prozess zu verstehen, bei dem jedes Jahr die Qualität der Aktivitätsdaten besser und die Berechnung der Emissionen umfassender wird. Dabei sind die Prinzipien des GHG Protocols ein wichtiger Orientierungspunkt. So sollten Sie darauf achten, dass die THG-Bilanz die Emissionen des Unternehmens angemessen erfasst (Relevanz), vollständig ist (Vollständigkeit) sowie über die Zeit konsistent in der Methodik (Konsistenz), das Vorgehen der Bilanzierung transparent dokumentiert (Transparenz) und die Emissionen genau erfasst (Genauigkeit) werden (Quelle: GHG Procotol Corporate Standard).
Grundsätzlich gilt: Je mehr Primärdaten Sie verwenden, desto besser. Gleichzeitig werden Sie nicht immer Primärdaten zur Verfügung haben. Auch hier gilt, die THG-Bilanzierung als lernenden Prozess zu verstehen und die Datenbasis stetig zu verbessern sowie die einzelnen Datenpunkte hinsichtlich ihrer Qualität zu bewerten und dies transparent zu dokumentieren.
Es ist sinnvoll, mit dem Corporate Carbon Footprint zu beginnen und den Prozess zu nutzen, um ein systematisches Klimamanagement in Ihrem Unternehmen aufzusetzen. Anschließend können Sie entscheiden, ob der Product Carbon Footprint für Ihr Unternehmen strategisch relevant bzw. erforderlich ist. Die THG-Bilanzierung auf Unternehmensebene ist eine gute Vorarbeit für den Einstieg in den PCF.
Bedeutung und Nutzen für Unternehmen
Die THG-Bilanzierung auf Organisationsebene liefert die Grundlage für ein systematisches Klimamanagement. So kann auf einer guten THG-Bilanz aufgesetzt werden, um
- Reduktionspotenziale zu identifizieren,
- Reduktionsziele zu definieren und
- die tatsächliche Emissionsreduktion durch umgesetzte Maßnahmen zu monitoren
- THG-Emissionen sowie Fortschritte intern und extern zu kommunizieren
Ein systematisches Klimamanagement ist außerdem ein wesentliches Element der Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens. Richtig genutzt, ist es ein Instrument, das darauf einzahlen kann,
- Kundenerwartungen zu erfüllen
- Differenzierungspotenzial auszubauen
- regulatorische Anforderungen umzusetzen
- Image und Arbeitgeberattraktivität des Unternehmens zu stärken
- das Risikomanagement zu verbessern
- kurz zusammengefasst: die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells abzusichern
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