Diese 3 unterschätzten Folgen schleppender oder gescheiterter Digitalisierungsprojekte entscheiden über ihre Zukunft

Laura Hüer
Tiefgreifende Veränderungen sind eine enorme Herausforderung für jedes Unternehmen. Besonders in der heutigen Zeit, in der Megatrends wie die Digitalisierung ganze Branchen revolutionieren, ist der Anpassungsdruck groß. Startups und Quereinsteiger nutzen neue Methoden der Kommunikation, Zusammenarbeit und Finanzierung, um ihre innovativen Ideen rasch in marktfähige Geschäftsmodelle zu verwandeln. Sie dringen in etablierte Märkte vor und setzen damit traditionelle Unternehmen unter erheblichen Druck, die dann schnell reagieren und sich anpassen müssen, um nicht in kürzester Zeit Marktanteile zu verlieren. Solche Veränderungen haben zur Folge, dass teilweise jahrzehntelange erfolgreiche Geschäftsstrategien und -modelle kontinuierlich an Bedeutung verlieren und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit massiv beeinträchtig wird.
Die Digitalisierung gilt als Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit von ganzen Branchen und Unternehmen. Neben der Möglichkeit, Prozesse deutlich effizienter zu gestalten, entstehen neue Chancen, Kundenbedürfnisse und -bedarfe zu bedienen und dies an etablierten Anbietern vorbei (Beispiel: E-Rezept). Praxisbeispiele zeigen, dass viele Unternehmen die Komplexität und damit verbundenen Herausforderungen einer digitalen Transformation unterschätzen.

Dies führt zu gescheiterten Digitalisierungsprojekten, deren Folgen gravierend sein können.

1. Erhebliche Kostennachteile

Erfolgreiche Digitalisierungsprojekte ermöglichen die Automatisierung wiederkehrender Aufgaben, was zu deutlichen Einsparungen führt. Automatisierte Prozesse und eine optimale Ressourcennutzung senken die Betriebskosten erheblich. Bestehende Potentiale zur Kosteneinsparung können nicht genutzt werden, wenn die Digitalisierung scheitert.

In Unternehmen, die ihre Digitalisierungsprojekte nicht erfolgreich umsetzen, dominieren oft manuelle und fehleranfällige Prozesse. Diese führen nicht nur zu einer höheren Fehlerquote, sondern auch zu einem enormen Zeitaufwand für die Mitarbeitenden. Ein Beispiel hierfür sind manuelle Dateneingaben in Buchhaltungssysteme. Jeder Fehler kann zu erheblichen Verzögerungen und Korrekturkosten führen. Darüber hinaus müssen Mitarbeitende wiederkehrende Aufgaben, die leicht automatisiert werden könnten, weiterhin manuell erledigen. Dies bindet wertvolle Ressourcen, erhöht die operativen Kosten erheblich und verringert die Attraktivität zu besetzender Stellen.

Eine weitere Herausforderung ist der Betrieb veralteter IT-Infrastrukturen. Oftmals kann der Betrieb nur fortgeführt werden, wenn noch Ersatzteile über E-Bay bezogen werden können. Alte Systeme sind häufig nicht nur ineffizient, sondern auch kostspielig im Unterhalt. Sie erfordern regelmäßige Wartung und häufige Reparaturen, um funktionsfähig zu bleiben. Zudem sind sie oft nicht in der Lage, mit modernen Softwarelösungen zu interagieren, was zu Kompatibilitätsproblemen und weiteren Ineffizienzen führt. Ein konkretes Beispiel aus der Praxis ist ein mittelständisches Unternehmen, das auf eine über zehn Jahre alte ERP-Software setzt. Die Kosten für die Wartung und die regelmäßigen Notfallreparaturen übersteigen mittlerweile die Kosten für eine vollständige Modernisierung der IT-Infrastruktur.

Die Notwendigkeit, manuelle Prozesse aufrechtzuerhalten, führt dazu, dass notwendige Kosteneinsparungen nicht vorgenommen werden können und Mitarbeitende für nicht wertschöpfende Tätigkeiten eingesetzt werden. Das gilt insbesondere für alle administrativen Bereiche der Dateneingabe, der Dokumentenverwaltung und der Kundenbetreuung. Zusätzliche Arbeitskräfte verursachen nicht nur höhere Personalkosten, sondern auch Kosten für die Einarbeitung und Schulung neuer Mitarbeitender. Ein Praxisbeispiel zeigt ein Unternehmen, das bei steigenden Umsätzen dazu gezwungen war, zusätzliches Personal für die Verwaltung einzustellen, da die vorhandenen IT-Systeme keine effiziente Automatisierung ermöglichten. Diese Kosten wären durch eine erfolgreiche Digitalisierung erst gar nicht entstanden.

2. Wettbewerbsnachteile​

Digitalisierte Unternehmen sind in der Lage, schneller auf Marktveränderungen zu reagieren und innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Sie erfüllen die Erwartungen der heutigen Kunden, die digitale Interaktionen und Dienstleistungen voraussetzen.

Ohne digitalisierte Prozesse entstehen folgende Probleme:

Unternehmen, die in ihren Digitalisierungsbemühungen scheitern, haben oft Schwierigkeiten, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren. Ohne moderne digitale Werkzeuge und Prozesse sind sie nicht in der Lage, agil zu handeln und verpassen somit wichtige Chancen.

Dies zeigt sich beispielsweise in der langsamen Einführung neuer Produkte oder Dienstleistungen. Während digital fortschrittlichere Konkurrenten schnell auf Kundenbedürfnisse reagieren können, bleiben diese Unternehmen zurück und verlieren an Marktpräsenz. Ein konkretes Beispiel ist Kodak, das die digitale Fotografie zwar frühzeitig entwickelte, jedoch zögerte, sie zu kommerzialisieren, wodurch es schließlich von anderen Unternehmen wie Canon und Nikon überholt wurde. Aktuell können wir erkennen, wie der europäische Markt von chinesischen E-Autos überschwemmt wird

Unternehmen, die die digitale Transformation nicht erfolgreich umsetzen, verlieren oft an Boden gegenüber agileren und technologisch fortschrittlicheren Wettbewerbern. Dies betrifft besonders Branchen, in denen schnelle Innovationszyklen und technologische Fortschritte entscheidend sind.

Ein klassisches Beispiel ist der stationäre Buchhandel, der durch den Aufstieg von Amazon stark unter Druck geraten ist. Amazon, das den Online-Buchhandel revolutionierte, hat sich zu einem dominierenden Akteur entwickelt. Dies zeigt sich besonders in den USA, wo Amazon mittlerweile etwa 50 % aller Buchverkäufe und sogar 65 % der E-Book-Verkäufe kontrolliert. Zwischen 2008 und 2013 verzeichnete Barnes & Noble, das größte amerikanische Buchhandelsunternehmen, Umsatzverluste von über 15 % und reduzierte seine Verkaufsflächen erheblich. Die ehemals zweitgrößte Buchhandelskette Borders Group meldete 2011 Insolvenz an und musste fast 400 Filialen schließen.

Auch in Deutschland hat Amazon die Buchhandelslandschaft verändert. Während die Auswirkungen weniger gravierend waren als in den USA, zeigt sich auch hier ein deutlicher Rückgang der Buchhandlungen. Dies wird durch die Entwicklung des stationären Buchhandels verdeutlicht, der zwischen 2009 und 2013 einen Umsatzrückgang verzeichnete, während der Online-Buchhandel im gleichen Zeitraum wuchs.

Die Fähigkeit, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, ist entscheidend für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens. Scheitert die Digitalisierung, fehlt es oft an der notwendigen Innovationskraft. Ohne digitale Werkzeuge und Prozesse können Unternehmen nicht effizient forschen und entwickeln.

Ein Beispiel dafür ist Kettler, einst bekannt als einer der ersten Produzenten von Hollywoodschaukeln, die in den 1950er-Jahren ein unglaublicher Trend wurden. Kettler baute durch die Produktion dieser Gartenmöbel eine große Kompetenz in der Aluminiumverarbeitung auf und entwickelte sich weiter in Richtung (Leicht-)Fahrradbau, wobei sie das berühmte Kettcar erfanden. Diese Freizeitmobile waren sehr innovative Produkte, die bei den Verbrauchern gut ankamen. Jedoch begann Kettler vor etwa 20 Jahren zu straucheln, weil sie neue Trends in der Freizeitmobilität nicht mehr aufnehmen konnten. Viele Verbraucher kennen Kettler immer noch, aber man bringt sie nicht mehr mit aktuellen Trends in Verbindung. Zum Beispiel wären eigentlich Elektroroller genau das richtige Thema für Kettler gewesen. Doch sie hatten keinen Drive, sich in diese Richtung zu bewegen. Dies zeigt, wie wichtig es ist, kontinuierlich in digitale Innovationen zu investieren.

Warum Digitalisierungsprojekte scheitern und weshalb Werte und Kultur den größten Engpass darstellen

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Systemischer Kulturkompass

3. Weitere erhebliche Probleme

Ohne eine erfolgreiche Digitalisierung fehlt es Unternehmen oft an einem effektiven Daten- und Informationsmanagement. Moderne digitale Systeme ermöglichen es, große Datenmengen zu sammeln, zu analysieren und daraus wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Diese fehlen jedoch bei gescheiterten Digitalisierungsversuchen. Beispielsweise scheiterten einige traditionelle Einzelhändler, weil sie die Vorteile der Datenanalyse und des E-Commerce nicht nutzten, um das Einkaufsverhalten ihrer Kunden zu verstehen und ihre Angebote entsprechend anzupassen.

Fehlende digitale Schnittstellen und mangelhafte Serviceangebote führen zu negativen Kundenerfahrungen. Kunden erwarten heute nahtlose digitale Interaktionen und schnelle, effiziente Serviceleistungen, wie z.B: Tracking and Tracing.

Unternehmen, die in der Digitalisierung hinterherhinken, können diesen Erwartungen oft nicht gerecht werden. Dies resultiert in unzufriedenen Kunden und negativen Bewertungen, was wiederum die Kundenbindung und den Ruf des Unternehmens nachhaltig schädigt, wie beispielsweise keine oder unzureichende Informationen über Verspätungen bei Bus, Bahn und Flugzeugen.

In einer digitalisierten Welt bevorzugen qualifizierte Fachkräfte moderne, technologisch fortschrittliche Arbeitsumgebungen. Unternehmen, die in ihren Digitalisierungsbemühungen scheitern, haben es daher schwer, talentierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. 

Diese Unternehmen bieten oft keine attraktiven, zeitgemäßen Arbeitsbedingungen und verlieren dadurch an Attraktivität als Arbeitgeber. Dadurch wird es schwieriger, qualifizierte Fachkräfte zu rekrutieren und langfristig zu binden, was die Innovationsfähigkeit und Produktivität des Unternehmens beeinträchtigt.

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Laura Hüer

Leitung Kompetenzteam Unternehmenskultur | Senior Projektmanagerin

Robert A. Sedlák

CEO | Guest Professor of ECNU Shanghai | Leitung Kompetenzteam Familienunternehmen