Das Konzept der Innovativen Kundensegmentierung (IKS) mit differenzierten Value Propositions eröffnet völlig neue Möglichkeiten, strategisch relevante Kundensegmente zu identifizieren und den Schwellennutzen je Kundensegment exakt zu bestimmen. Mit dieser Vorgehensweise kann Commoditisierungs-Tendenzen wirkungsvoll begegnet und eine stärkere Kundenbindung erreicht werden
Interview mit Guest Prof. Robert A. Sedlák
CEO S&P Consulting | Guest Professor an der ECNU, Shanghai
SCHWELLENNUTZEN VALIDE ERMITTELN
Unsere Marktrecherchen der letzten Monate haben bestätigt, dass verantwortliche Manager nur über vage Vorstellungen hinsichtlich des Schwellennutzens strategisch relevanter Kundensegmente verfügen. Und dies, obwohl die genaue Kenntnis darüber die Grundlage für eine wirksame Differenzierungsstrategie darstellt. Stattdessen steht in den internen Diskussionen auch die Kundenzufriedenheit im Vordergrund, obwohl wir wissen, dass diese keinen Indikator für den zukünftigen nachhaltigen Unternehmenserfolg darstellt.
Sehr geehrter Herr Prof. Sedlák, im Zusammenhang mit der Innovativen Kundensegmentierung fällt bei S&P Consulting immer wieder das Wort „Schwellennutzen“. Können Sie uns kurz erklären, worum es sich hierbei handelt?
Sehr gern. Ich würde den Schwellennutzen wie folgt beschreiben:
- Um passgenaue und attraktive Leistungsangebote für Ihre Kundensegmente gestalten zu können, müssen Sie zunächst die Nutzenerwartungen Ihrer Kundensegmente verstehen
- Hierzu nutzen wir ein „Beobachtungsraster“ aus 7 Nutzenkriterien. Dieses besteht aus den Erwartungen der bzw. des Kunden, und zwar hinsichtlich Produktportfolio, Zeit, Preis, Qualität, Service, Beziehungund Image. Diese Nutzenkriterien erweitern somit die Perspektive über Produkt und Preis hinaus
- Im ersten Schritt geht es darum, für jedes Kundensegment den Schwellennutzen, d.h. die Mindesterwartung in allen 7 Nutzenkriterien zu erkennen und natürlich auch zu verstehen. Damit kommen wir zu einem ersten Zwischenergebnis: Angebote, die den Schwellennutzen nicht erfüllen, scheiden aus
- Im zweiten Schritt gilt es zu erkennen, in welchen Kundensegmenten innerhalb der 7 Kriterien evtl. Zusatzerwartungen oder Zusatzpotenziale bestehen, die über den Schwellennutzen hinaus reichen. Ein mögliches Ergebnis: Angebote, die Zusatzerwartungen erfüllen, unterscheiden sich positiv vom Wettbewerb
- Ein Angebot über dem Schwellennutzenniveau macht nur dann Sinn, wenn dafür ein Potenzial besteht, das vom Kunden honoriert wird. Andernfalls werden Ressourcen verschwendet, da Aufwand in etwas investiert wird, was der Kunde nicht braucht bzw. nicht wertschätzt.
Können Sie uns ein Beispiel nennen, um die Sachverhalte zu verdeutlichen?
Die Mindesterwartung an die Lieferzeit beträgt in einem Kundensegment 5 Tage, d.h. jeder Anbieter, der länger als 5 Tage benötigt, erfüllt nicht den Schwellennutzen und scheidet aus. Nun kann es sein, dass es für diesen Kunden ein Mehrwert wäre, wenn der Lieferant die Lieferzeit auf 3 Tage verkürzen könnte – in diesem Fall besteht ein Zusatzpotenzial oder eine Zusatzerwartung. In einem anderen Kundensegment kann es sein, dass eine Verkürzung der Lieferzeit auf 3 Tage vom Kunden nicht benötigt bzw. erwartet wird. Das heißt, 5 Tage sind für ihn also vollkommen in Ordnung. In einem anderen Kundensegment beträgt die Mindesterwartung, also der Schwellennutzen, an die Lieferzeit 3 Tage.
Schwellennutzen und Zusatzpotenziale unterscheiden sich also von Kundensegment zu Kundensegment. In dem einen differenziert man sich (positiv) mit einer Lieferzeit von 3 Tagen, in einem anderen erfüllt man damit gerade mal den Schwellennutzen.
Robert A. Sedlák ist Senior Executive Consultant, Chairman und CEO bei S&P Consulting International Consulting. Seit 1987 arbeitet er als selbstständiger Unternehmensberater sowohl für DAX-Unternehmen als auch für mittelständische Firmen. Einer seiner Beratungsschwerpunkte ist das Thema „Vorausschauende Selbsterneuerung“. Diese mit führenden Organisationswissenschaftlern der Neueren Systemtheorie entwickelte Methode befähigt Organisationen dazu, Signale für Veränderungen früh zu erkennen und sie für einen Selbsterneuerungsprozess gezielt zu nutzen. Darüber hinaus beschäftigt er sich intensiv mit der Frage, wie organisationale und personale Lernprozesse im Rahmen von Change Prozessen optimal verzahnt werden können.
Seit 2013 ist Robert A. Sedlák Gast-Professor an der East China Normal University (ECNU) Shanghai sowie seit über 25 Jahren Mitglied im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. und ein nach CMC (Certified Management Consultant) zertifizierter Unternehmensberater.
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